Bericht von Johannes Barthel
Meine erste Reise nach Israel vor 30 Jahren war gewiss keine normale Urlaubsreise: Alle Anzeichen deuteten auf einen baldigen Angriff des Irak gegen Israel hin. Dennoch liessen sich ca. 120 Fürbitter aus aller Welt nicht davon abhalten, nach Jerusalem zu kommen.
Auch ich kam damals im Holyland Hotel an, um für Israel im Gebet einzustehen. Das Erste, was wir lernen mussten, war, wie man eine Gasmaske aufsetzt, wo die Schutzräume sind und wie man die beiden Injektionen benutzt, die jeder Teilnehmer ausgehändigt bekam. Nachdrücklich wurden wir darauf hingewiesen, dass wir das Hotelgelände nicht verlassen sollten.
Gleich in der ersten Nacht rissen uns die Raketenangriffe aus dem Schlaf, und wir kamen in den verschiedenen Schutzräumen zusammen. Während dieser aufregenden Woche durften wir erleben, wie Gottes Schutz über seinem Volk sichtbar ist. Noch viel mehr als das Gebet um Schutz während der Angriffe wurde den Leitern und Fürbittern eine klare Berufung aufs Herz gelegt:
Helft meinem Volk bei der Heimkehr in das verheissene Land!
Bibelstellen wie Jeremia 16,14–16 oder Jesaja 49,22 wurden mit einem Mal in einer Art lebendig, dass jeder wusste: Jetzt ist diese Zeit, in der wir uns als Christen aktiv an der Aliyah* beteiligen sollen! Deshalb bezeichnen wir den Januar 1991 als die Geburtsstunde des Dienstes von Ebenezer Operation Exodus.
Schon in den 1980er-Jahren hatte das Buch von Steven Lightle Der II. Exodus – Norden, gib heraus besonders in Deutschland viele Christen auf die schwierige Situation der jüdischen Menschen in der damaligen Sowjetunion aufmerksam gemacht. Jetzt war die Zeit gekommen, Gebete in Taten umzusetzen. Schon kurz nach dem legendären Treffen in Jerusalem wurden erste Flüge für ausreisewillige Juden von Budapest nach Tel Aviv organisiert. Noch im selben Jahr gab es zudem die erste Schiffspassage von Odessa (Ukraine) nach Haifa. Bis 2004 durften wir so über 40‘000 russisch-sprachige Juden mit Schiffen nach Israel bringen. Viele freiwillige Helfer waren daran beteiligt – auch aus Deutschland.
Die Ausweitung des Dienstes
Nachdem die Zeit der Schiffspassagen beendet war, richtete Gott unseren Blick verstärkt auf die Aliyah aus allen Himmelsrichtungen. Seitdem durften wir eine Ausweitung des Dienstes auf allen Kontinenten erleben. Unsere meist ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in ca. 60 Nationen präsent, um einerseits der Gemeinde Jesu die Bedeutung Israels nahe zu bringen, andererseits, um ein Netzwerk der aktiven Hilfe aufzubauen. Gemeinden und einzelne Gläubige werden dabei unterstützt, ihren Beitrag zum Segen Israels bestmöglich einzusetzen.
Für mich ist es ein absoluter Gnadenerweis Gottes, dass wir heute täglich mit unseren jüdischen Freunden zusammenarbeiten. Als ich vor einigen Jahren vom Leiter der Jewish Agency*** Nathan Sharansky angefragt wurde, ob wir in Berlin ein gemeinsames Zentrum betreiben könnten, mussten wir nicht lange überlegen. Im April 2017 weihten Juden und Christen gemeinsam das IsraelProgramCenter ein.
Die besondere Arbeit in Israel
Seit dem denkwürdigen Januar 1991 durften wir nicht nur über 190‘000 jüdischen Menschen bei ihrer Rückkehr nach Israel helfen, sondern später auch vielen bei der Eingliederung im Land. Denn vor einigen Jahren hatte Gott uns während einer Gebetszeit sehr klar beauftragt, nicht nur bei der Logistik der Heimkehr mehr Verantwortung als bisher zu übernehmen, sondern besonders bei der Eingliederung im Land stärker mitzuhelfen. Dabei ist uns Amos 9,15 immer wieder wichtig: Ich pflanze sie in ihr Land ein. Und sie sollen nicht mehr herausgerissen werden aus ihrem Land, das ich ihnen gegeben habe, spricht der HERR, dein Gott. (Revidierte Elberfelder)
Das Haus in Haifa für Neuankömmlinge.
Neben einem Büro in Jerusalem, in dem verschiedene Mitarbeiter aus dem englischen, französischen und russischen Sprachraum Beratung und auch praktische Hilfe anbieten, konnten wir im Sommer 2019 auch ein Haus für Olim** in Haifa eröffnen. Dort finden die Neuankömmlinge Unterkunft, erste Orientierung im Land, und sie haben die Gelegenheit, sich in aller Ruhe um eine eigene Wohnung zu kümmern. In den wenigen Monaten konnten schon sehr viele Menschen durch die warmherzige Leitung einer deutschen Familie und ihrer vielen freiwilligen Helfer gesegnet werden. Nicht nur schickt uns die kommunale Verwaltung immer wieder wohnungssuchende neu angekommene Familien, auch unsere nationalen Teams können den Olim eine Erstunterkunft in Israel anbieten.
Vor einigen Monaten konnten wir in Ashdod vier Neubau-Wohnungen finanzieren, die für Überlebende des Holocausts und für ältere Einwanderer mit niedriger Rente bestimmt sind und bald fertiggestellt werden. Seit 2020 steht eine zusätzliche Wohnung in Haifa für die Erstaufnahme der Olim zur Verfügung. Wir setzen damit ein Zeichen: GOTT hat euch nicht vergessen! Unser Gebet ist, dass es noch mehr Orte in Israel geben wird, die sich für die Erstaufnahme der Einwanderer eignen.
Die Zukunft der Aliyah
Immer wieder werden wir gefragt, wie die zukünftige Aliyah aussehen wird. Über manches kann man nur spekulieren – dass wir heute zum Beispiel aktiv an der Rückkehr des Stammes Manasse aus Indien oder der äthiopischen Juden beteiligt sind, hätte sich vor 30 Jahren niemand vorstellen können. Derzeit leisten unsere Teams in der ehemaligen Sowjetunion immer noch den Grossteil der Aliyah-Arbeit. Selbst im Jahr 2020 mit all den Einschränkungen des Flugverkehrs und auch innerstaatlichen Reisebeschränkungen konnten wir über 4‘600 Olim bei ihrer Heimreise helfen. Das ist zwar fast nur halb so viel wie im Jahr davor, aber unter den Corona-bedingten Umständen ein umso grösseres Wunder. Auch in den nächsten Jahren wird der Grossteil der Olim aus dieser Region erwartet.
Jedoch ist in Westeuropa ebenfalls ein Anstieg zu beobachten – nicht nur in Frankreich und nicht nur aufgrund des wachsenden Antisemitismus. Gerade junge jüdische Menschen berichten uns, dass sie ein inneres Verlangen haben, in Israel ihr Leben aufzubauen.
Auch unsere Teams in den USA und Lateinamerika berichten von einer Zunahme der Aliyah-Anträge. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir eine sehr grosse Aliyah-Welle sehen werden. Wahrscheinlich werden dann auch wieder Schiffe eine Rolle spielen.
Wir wollen bereit sein, mit Gottes Hilfe auch in den kommenden Herausforderungen ein Segen für viele jüdische Menschen zu sein. Unsere Anfänge waren im Gebet, und bis heute versteht sich Ebenezer Operation Exodus auch als Gebetsdienst. Wir ermutigen den Leib Jesu Christi, für die Rückkehr des Volkes Gottes, wie sie an über 70 Stellen der Bibel verheissen ist, einzutreten. Ohne Gottes Treue zu seinem Wort wären alle unsere Bemühungen hinfällig! Deshalb gebührt IHM alleine die Ehre.
* Aliyah wird die Einwanderung der Juden aus der Diaspora („Zerstreuung“) genannt. Das hebräische Wort bedeutet „Aufstieg“.
** Olim ist das hebräische Wort für jüdische Neueinwanderer nach Israel, also für diejenigen, die Aliyah machen.
*** Jewish Agency (Jüdische Agentur) mit Hauptsitz in Jerusalem, ist die für die Einwanderung von jüdischen Menschen nach Israel zuständige Institution.
ZUM AUTOR
Johannes Barthel, verheiratet, drei erwachsene Kinder, ist bei Ebenezer Operation Exodus für die Koordinierung der Arbeit in Europa, im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und in Israel zuständig.
In Deutschland hält er Vorträge in Gemeinden über Aliyah. Er schrieb das Buch „Aliyah – das Wunder der Rückkehr
Gaben mit Vermerk Ebenezer leiten wir gern weiter.